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<h1>Die Bodenreform 1945/48 als Akt der Bilderst&uuml;rmerei</h1><p><b>verfa&szlig;t Ende 2007</b></p><p>Die Ma&szlig;nahme an sich, landarmen und landlosen Menschen, ein St&uuml;ck eigenes Land zu geben, von dem sie sich ern&auml;hren k&ouml;nnen, war eine alte Forderung, die schon 1848 und 1918 die politische Linke angestrebte, damals aber nicht durchsetzen konnte. Nun kamen vor allen mit den zahllosen Fl&uuml;chtligen und Heimatvertriebenen Kriegsfolgen hinzu, die durch eine Bodenreform gemildert werden sollten. Eigentlich hatten sich anfangs alle Siegerm&auml;chte auf der Moskauer Konferenz f&uuml;r eine Agrarreform in Deutschland verst&auml;ndigt, doch versagten die Westm&auml;chte in ihren Besatzungszonen sp&auml;ter deren Verwirklichung. Dagegen war es Ziel der Sowjetischen Milit&auml;radministration in Deutschland (SMAD) in ihrer Besatzungszone (SBZ) durch die Art und Weise der Bodenreform unver&auml;nderliche Tatsachen schaffen, die auf einen Staat sowjetischer Pr&auml;gung hinauslief.</p><p>Recht ausf&uuml;hrlich wurde auf der MAZ-Heimatgeschichtsseite dargestellt, welche wirtschaftlichen und menschlichen Folgen die Bodenreform hatte. Erg&auml;nzend soll auf einen weiteren Aspekt hingewiesen werden, n&auml;mlich der Bilderst&uuml;rmerei. Denn mit der Zerst&ouml;rung &uuml;berkommener Besitzverh&auml;ltnisse sind zugleich dazugeh&ouml;rige Bauwerke, Archive, Bibliotheken und Kunstsammlungen vernichtet worden. Die Gr&uuml;nde dazu sind sicher vielschichtig. Dazu geh&ouml;rt nicht zuletzt, &bdquo;vollendete Tatsachen&ldquo; schaffen zu wollen: Wenn die Gutsh&auml;user kaputt sind, ist den Gutsbesitzern die M&ouml;glichkeit der R&uuml;ckkehr genommen. &bdquo;Die Bodenreform beseitigte das Junkertum als Klasse und zerschlug damit eine Bastion des preu&szlig;isch-deutschen Militarismus&ldquo;, hie&szlig; es in der SED-Geschichtsschreibung. Aus gleichem Grund sind Grundb&uuml;cher vernichtet worden, um den Nachweis von Alteigent&uuml;mern unm&ouml;glich zu machen. Selbst in standesamtlichen Sterbeb&uuml;chern sind Eintr&auml;ge zu Todesursachen nachtr&auml;glich geschw&auml;rzt worden &ndash; das tut niemand, der ein gutes Gewissen f&uuml;r seine Machenschaften besitzt.</p><p>Laut SMA-Befehl Nr. 209 vom 9.9.1947 sollten im Land Brandenburg 10.000 Neubauernh&auml;user errichtet werden. Zur Baumaterialgewinnung war eine &bdquo;ungehinderte Nutzung&hellip; fr&uuml;herer G&uuml;ter&hellip; zu gestatten.&ldquo; Vier Wochen sp&auml;ter kritisierte die SMA im Land Brandenburg, da&szlig; in zahlreichen Kreisen der Befehl des Marschalls Sokolowski &uuml;ber die ungehinderte Ausnutzung von Bauten ehemaliger G&uuml;ter von Gutsbesitzern noch nicht gen&uuml;gend befolgt worden sei. Der SED-Landesvorstand in Brandenburg sch&auml;tzte am 29.1.48 ein, da&szlig; &bdquo;nicht selten die Bev&ouml;lkerung von einer gewissen Angst erf&uuml;llt (ist), da&szlig; die Herren wiederkehren k&ouml;nnten und sie dann f&uuml;r den Abbruch verantwortlich machen w&uuml;rden.&ldquo; Wohl darum machte die Besatzungsmacht kurzen Proze&szlig;. So gab der Kreiskommandant von Luckau den Befehl, &bdquo;s&auml;mtliche Gutsh&auml;user, mit Ausnahme von vier Schl&ouml;ssern, ohne R&uuml;cksicht auf die Unterbringung der Neubauern bis zum 31.12.1947 zu sprengen&ldquo;. Fritz Lange, damals Vorsitzender der Zentralen Kommission f&uuml;r staatliche Kontrolle in der Deutschen Wirtschaftskommission (Vorl&auml;ufer der DDR-Regierung), erkl&auml;rte unverbl&uuml;mt: &bdquo;Die Bodenreform war f&uuml;r uns nicht allein ein Umsiedlerproblem, sondern vor allen Dingen ein politisches Problem, um damit die festesten St&uuml;tzen der Reaktion, Boden und Schl&ouml;sser zu zertr&uuml;mmern.&ldquo; So ist es nicht verwunderlich, wenn der brandenburgische Innenminister Bechler im Dezember 48 den Abri&szlig; und Guts- und Herrenh&auml;usern f&uuml;r nicht ausreichend hielt und f&uuml;r das kommende Jahr eine Beschleunigung anmahnte.</p><p>Ein weiteres Beispiel f&uuml;r den Charakter einer politisch dominierten Bilderst&uuml;rmerei, die mehr ideologischen als pragmatischen Prinzipien folgte, ist ein Schreiben vom 28.10.47 der Deutschen Verwaltung f&uuml;r Land- und Forstwirtschaft (Vorl&auml;ufer des entsprechenden Ministeriums), in dem es hei&szlig;t: &bdquo;Wo durch Umbau bezw. Teilabri&szlig; selbst&auml;ndige Neubauernh&ouml;fe erstellt werden k&ouml;nnen und dadurch der guts&auml;hnliche Charakter verschwindet, ist von einem Gesamtabri&szlig; abzusehen.&ldquo; Das wurde in unserer Region in Heinsdorf und Niebendorf praktiziert. Nonnendorf, wo das Gutshaus zu einem Mehrzweckhaus unfunktioniert wurde, ist ein weiteres Beispiel f&uuml;r die bewu&szlig;te Zersiedlung des bisherigen Charakters des Gutes. In der Zeitschrift &bdquo;Der Bauhelfer&ldquo; ist 1947 dazu ausgef&uuml;hrt: &bdquo;Der ehemalige Gutshof wird zum Dorfplatz als Mittelpunkt f&uuml;r das nahezu g&auml;nzlich neu zu schaffende Dorf&hellip; Der vorhandene Gutspark wird z. T. als Schulgarten, als Friedhof oder als Sportgel&auml;nde ausgenutzt.&ldquo; Es ging offenkundig darum, die historische Kontinuit&auml;t zu brechen, um eine Identifikation mit der Geschichte zu erschweren, ein Prinzip, das bei jeder politischen Wende zutrage tritt.</p><p>Uwe Sch&ouml;ne stellt in einer Dissertation zur Landwirtschaft in der DDR 1945 &ndash; 1990 fest, da&szlig; bis M&auml;rz 1948 in der SBZ fast 2000 Gutsanlagen abgerissen waren. Auf Grund historischer Besonderheiten gab es in J&uuml;terbog und Umgebung relativ wenige Ritterg&uuml;ter. Von den betreffenden historischen Bauwerken gingen in diesem Zusammenhang verloren: das Gutshaus auf dem J&uuml;terboger Kappan, die mittelalterliche Burg in B&auml;rwalde, das Gr&auml;fendorfer Schlo&szlig; (1947) und das Renaissance-Schlo&szlig; in G&ouml;rsdorf (1948), im weiteren Sinne auch das Schlo&szlig; in Dahme. Und wo ein Gutshaus nicht vorhanden war, konnte wie in Felgentreu sogar die Kirche zur Baumaterialgewinnung dem Abri&szlig; zum Opfer fallen. Sp&auml;ter ist in der Geschichtsschreibung der Vorgang des Kirchenabrisses besch&ouml;nigt dargestellt worden: &bdquo;1945 durch Kriegseinwirkung zerst&ouml;rt&ldquo; (Rohrlach: Historisches Ortslexikon, Teil X, J&uuml;terbog-Luckenwalde).</p><p>&bdquo;Der Grundbedarf an Baumaterialien sollte aus dem Abri&szlig; freier Gutsgeb&auml;ude und vernichteter milit&auml;rischer Anlagen gewonnen werden&ldquo; (Maether: Brandenburgs Schl&ouml;sser und Herrenh&auml;user 1945 &ndash; 1952, dem auch weitere Fakten zum Thema entstammen). Jedoch ist f&uuml;r den Raum J&uuml;terbog auff&auml;llig, da&szlig; seltsamerweise die gro&szlig;e Zahl an Milit&auml;rbauten weitgehend verschont geblieben ist. Und das, obwohl die Rote Armee erst St&uuml;ck f&uuml;r St&uuml;ck die Kasernen f&uuml;r sich in Beschlag nahm. Lediglich f&uuml;r die teilweise zerbombten Fuchsbergkasernen ist in geringem Ma&szlig;e die Baumaterialgewinnung f&uuml;r Neubauten nachweisbar. In der gesamten SBZ sind durch diese Aktionen zwar 71 Millionen Mauersteine gewonnen worden, doch verst&auml;rkte der Abri&szlig; intakter Anlagen die Probleme in den D&ouml;rfern noch mehr, da so Fl&uuml;chtlinge zun&auml;chst ihre Notunterk&uuml;nfte verloren. Kunsthistorische und denkmalpflegerische Aspekte konnten unter solchen Umst&auml;nden kaum eine Rolle spielen. Heute wird bedauert, da&szlig; wertvolle Fresken in der Zinnaer Abtei durch Schornsteinanschl&uuml;sse zerst&ouml;rt wurden. Doch&amp;nbsp; 1946 w&auml;re es einer Fl&uuml;chtlingsfrau auch schwer zu vermitteln gewesen, da&szlig; ihre Kinder frieren sollen, nur weil christliche Motive an den W&auml;nden wichtiger seien als der Einbau eines Ofens.</p><p>Auch damals gab es auch schon manche Warner, die auf den kulturhistorischen Wert der Kirchen und Adelssitze aufmerksam machten. In dem Eingangs zitierten Schreiben des SED-Landesvorstandes von 1948 hei&szlig;t es dazu: &bdquo;In mehreren F&auml;llen wurden solche Geb&auml;ude inzwischen von Krankenh&auml;usern und auch anderen sozialen Einrichtungen belegt. Trotzdem m&uuml;ssen, sie abgebrochen werden, was aber gerade in Kreisen unserer Genossen nicht verstanden wird.&ldquo; Zur Notwendigkeit der rigorosen Vernichtungsaktion von Kulturg&uuml;tern hei&szlig;t es in dem Text: &bdquo;Zur Sicherung der Bodenreform ist der Abri&szlig; von Herrenh&auml;usern, Schl&ouml;ssern usw. politisch notwendig, weil in ihnen das Junkertum verk&ouml;rpert wird.&ldquo;</p><p>Trotzdem gab es von Seiten der Kunsthistoriker und anderen Wissenschaftlern Widerstand gegen die barbarischen Aktionen. Durch die Akademie der Wissenschaften ist im Wettlauf mit der Abri&szlig;aktion eine Erfassung der kulturhistorisch wertvollsten Geb&auml;ude vorgenommen worden: &bdquo;I. au&szlig;erordentlich wertvoll, II. wertvoll und III. erhaltenswert.&ldquo; Doch dieses Bestreben stand ganz im Gegensatz zu SED, deren Zentralsekretariat am 31.3.48 in einem Rundschreiben klar erkl&auml;rte: &bdquo;Der Abri&szlig; darf nicht nur unter dem Gesichtswinkel betrachtet werden, Baumaterial f&uuml;r Neubauernsiedlungen zu gewinnen, viel wichtiger ist soweit als m&ouml;glich die Spuren der Junkerherrschaft auf dem Dorfe zu vernichten.&ldquo; In Brandenburg sind gerade einmal 68 von 783 Geb&auml;uden f&uuml;r sch&uuml;tzw&uuml;rdig erkl&auml;rt worden. Im Kreis Luckenwalde-J&uuml;terbog kam allein das Schlo&szlig; Glienig auf die erste Denkmalliste (Kategorie II).</p><p>Unter den &bdquo;anderweitig genutzten Herrenh&auml;usern&ldquo; auf genannter Denkmal-Liste vom 9. M&auml;rz 1948 sind Wiepersdorf, Dahme, Blankensee, Lindenberg, Baruth, St&uuml;lpe und Kloster Zinna aufgef&uuml;hrt. Sie waren demnach durch die SED, eine Massenorganisation oder staatliche Stellen belegt und damit zumindest im Augeblick vom Abri&szlig; bedroht, auch ohne da&szlig; f&uuml;r sie bereits Denkmalschutz aufgesprochen war. Nicht erw&auml;hnt auf der Liste sind die G&uuml;ter Petkus und Kaltenhausen, die nebst sechs anderen ein Jahr zuvor der Deutschen Saatzuchtgesellschaft &uuml;bereignet worden waren.</p><p>Bald zeigte sich, da&szlig; die Abri&szlig;wut ganz praktischen Bed&uuml;rfnissen im Wege stand. Die Deutsche Verwaltung f&uuml;r Land- und Forstwirtschaft kritisierte - wohl auch im Auftrag der Besatzungsmacht - am 3.1.48 &bdquo;die &ouml;rtliche Tendenz, die aufgrund der Bodenreform enteigneten H&auml;user vor dem Abbruch oder Aufteilung dadurch zu sch&uuml;tzen, da&szlig; zum Schein Erholungsh&auml;user, Schulen, Museen, Heime; N&auml;hstuben usw. eingerichtet werden und viele H&auml;user als historische Denkm&auml;ler stehen bleiben sollen.&ldquo; Eine Bilanz vom 1.4.48 zeigte f&uuml;r das Land Brandenburg, da&szlig; inzwischen 643 Herrenh&auml;user abgerissen worden sind, 82 dienten als Heime und Schulen, 47 als &ouml;ffentliche Geb&auml;ude und sieben als Krankenh&auml;user.</p><p>Der Deutschen Wirtschaftskommission existierten dann immer noch zuviel von den Herrenh&auml;usern, als sie f&uuml;nf Tage sp&auml;ter an die Deutsche Verwaltung f&uuml;r Volksbildung schrieb, &bdquo;da&szlig; aller Anla&szlig; dazu besteht, die&hellip; St&auml;tten des Feudalismus aus dem Landschaftsbild unserer Zone schnellstens und weitgehend verschwinden zu lassen.&ldquo; Wenn die Verwaltung der Volksbildung dagegen pragmatisch argumentierte, da&szlig; Bauten aus dem 17. bis 19. Jhd. aus Lehmfachwerk und Bruchziegeln bestanden, die kaum wiederverwandt werden k&ouml;nnen, so zeigte das nur, das man den ideologischen Aspekt der Zielsetzung nicht verinnerlicht hatte. Da&szlig; die Burg in B&auml;rwalde aus Bruchst&uuml;cke von Raseneisenstein gebaut war, was man heute noch an der Ruine des Burgfrieds erkennen kann, rettete sie auch nicht vor dem Abri&szlig;.</p>